| Autor: Luisa Bortone, Dr. Benjamin Lehmann
Kapillarelektrophorese
Eine leistungsstarke Technik für die Charakterisierung und Qualitätskontrolle biopharmazeutischer Produkte
Für die ständig wachsende Anzahl neuer biotechnologisch hergestellter Arzneimittel ist die Wahl der geeigneten Analysentechnik für die Qualitätskontrolle von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang haben wir in unserem letzten Beitrag auf die zahlreichen Vorteile der chip-basierten Gelelektrophorese hingewiesen [Link]. Diese eignet sich vor allem als Alternative zur klassischen SDS-PAGE und besticht durch eine hohe Reproduzierbarkeit, Auflösung und Sensitivität sowie eine deutlich vereinfachte Handhabung.
Für komplexere Untersuchungen wird die Kapillarelektrophorese (CE) eingesetzt. (1) Diese Trennmethode basiert auf der klassischen Elektrophorese und zeichnet sich durch hohe Auflösung, Effizienz und Flexibilität aus. CE-basierte Methoden finden sich seit 2001 auch im europäischen bzw. amerikanischen Arzneibuch (Ph. Eur. 2.2.47 und USP <1053>) und werden für die Charakterisierung der Größen- und Ladungsheterogenität sowie für Reinheits- und Stabilitätsprüfungen von Proteinen, monoklonalen Antikörpern, DNA und RNA empfohlen. (2) Für einige Produkte (z.B. EPO-Isomere) schreiben beide Pharmakopöen die CE sogar als Standardmethode vor.
Abbildung 1: Elektropherogramme einer typischen Reinheits- und Identitätsprüfung von (monoklonalen) Antikörpern gemäß USP. (3) Hier wurde IgG unter nicht-reduzierenden (oben) und reduzierenden (unten) Bedingungen mittels der Kapillargelelektrophorese (CGE) untersucht. Zu erkennen sind der intakte Antikörper (IgG), einzelne Fragmente (Heavy Chain: HC; Light Chain: LC) sowie verschiedene Aggregate und nicht-glykosylierte Antikörperuntereinheiten.
Die Vielfalt der Kapillarelektrophorese
An der effektiven Trennung der Analyten sind bei der Kapillarelektrophorese (CE) maßgeblich zwei Mechanismen beteiligt:
- Elektrophoretische Mobilität: Die elektrophoretische Mobilität ist die treibende Kraft hinter der Bewegung geladener Teilchen in einer Kapillare. Sie ermöglicht die Trennung von Molekülen aufgrund ihres Ladungs-zu-Masse-Verhältnisses.
- Elektroosmotischer Fluss (EOF): Der EOF verursacht die Wanderung der Pufferionen im elektrischen Feld, und überlagert häufig die elektrophoretische Wanderung, wodurch er zum entscheidenden Faktor für die Trennung wird. Der EOF kann in Abhängigkeit vom pH-Wert des Elektrolyten und der Ladung der Kapillaroberfläche eingestellt werden und ist entscheidend für das flache Strömungsprofil bei der CE. Dies führt im Vergleich zur HPLC zu einer deutlich geringeren Bandenverbreiterung und damit zu einer höheren Peakschärfe.
Je nach Fragestellung können (wie auch bei der klassischen HPLC) verschiedene Detektoren (UV-Vis, PDA und laserinduzierte Fluoreszenz) zur Quantifizierung der Analyten eingesetzt werden.
Die Kapillarelektrophorese umfasst genau genommen mehrere Trenntechniken, die ein breites Anwendungsspektrum von kleinen bis hin zu großen Molekülen abdecken. Im Folgenden werden die wichtigsten Trenntechniken kurz vorgestellt.
Kapillarzonenelektrophorese (CZE): Die CZE ist die am häufigsten verwendete Methode in der Kapillarelektrophorese und kann zur Untersuchung von kleinen und großen Molekülen (MW < 100.000 Da) eingesetzt werden. Die Analyten wandern entsprechend ihrer Ladung unterschiedlich schnell durch die Kapillare und werden dabei idealerweise in einzelne Zonen aufgetrennt. Die CZE ermöglicht eine hohe Effizienz, wodurch Moleküle mit nur geringen Unterschieden in ihren Ladungseigenschaften genau analysiert werden können. Durch Zugabe von chiralen Selektoren zum Trennpuffer eignet sich die CZE zudem hervorragend für die Enantiomerenanalyse, z.B. für die Trennung von D- und L-Aminosäuren.(4)
Kapillargelelektrophorese (CGE): Die CGE eignet sich besonders für die Untersuchung von Makromolekülen, wie Oligonukleotiden oder Proteinen. Im Gegensatz zu anderen Trenntechniken wird hier eine Kapillare verwendet, die mit einem Gel (z.B. Polyacrylamid) gefüllt ist. Dieser Molekularsiebeffekt ermöglicht eine zusätzliche Trennung nach Molekülgröße, da kleine Moleküle schneller durch das Gel wandern als größere Moleküle. Die CGE bietet daher eine effektive Möglichkeit zur Charakterisierung von biopharmazeutischen Makromolekülen.
Abbildung 2: Effiziente Auftrennung von ssDNA (40–60 Basenpaare) mittels CGE: Mit der Gelkapillarelektrophorese können Nukleinsäuren mit minimalen Größenunterschieden (± 1 Basenpaar) innerhalb kurzer Analysenzeiten (nahezu) basisliniengetrennt (Rs ≥ 1,5) aufgelöst werden.
Isoelektrische Fokussierung (CIEF): Die CIEF ermöglicht die Trennung von Analyten, die sich nicht in ihrer elektrophoretischen Mobilität, sondern in ihrem isoelektrischen Punkt (pI) unterscheiden.(5) Der pI ist der pH-Wert, bei dem die Anzahl der negativen und positiven Ladungen eines amphoteren Moleküls (z.B. eines Proteins) gleich ist. An diesem Punkt wandert der Analyt nicht mehr im elektrischen Feld. Für diese Art der Trennung wird durch Zugabe von Ampholyten zum Puffer ein pH-Gradient erzeugt. CIEF wird häufig bei therapeutischen monoklonalen Antikörpern (mAbs) eingesetzt, die eine gewisse natürliche Heterogenität aufweisen: Geringe strukturelle Unterschiede können z.B. während der Herstellung oder Lagerung auftreten und die Wirksamkeit der Antikörper erheblich beeinträchtigen. Daher ist die Analyse des Verhältnisses der Ladungsvarianten, beispielsweise mittels CIEF, von großer Bedeutung.
Eine vielversprechende Zukunft
Die Kapillarelektrophorese hat sich zweifellos als ein unverzichtbares Instrument für die Qualitätskontrolle und Charakterisierung von Biopharmazeutika etabliert, insbesondere für die Untersuchung von therapeutischen Proteinen oder Oligonukleotiden. Sie besticht nicht nur durch ihre hohe Auflösung, Empfindlichkeit und Flexibilität, sondern stellt auch eine der HPLC gleichwertige zuverlässige Methode dar.
Basierend auf den vielen verschiedenen Trenntechniken, bietet dieses hochmoderne Verfahren eine breite Palette an Analysemöglichkeiten für Ihre biopharmazeutischen Produkte.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Kontaktieren Sie uns hierzu gerne. Die Experten unseres Labors stehen Ihnen jederzeit für weitere Informationen zur Verfügung. Lassen Sie uns gemeinsam die Sicherheit und Wirksamkeit Ihrer Produkte gewährleisten!
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(1) Engelhardt, H.; Beck, W.; Schmitt, T.: „Kapillarelektrophorese Methoden und Möglichkeiten“, 1994, Wiesbaden, Springer Verlag
(2) United States Pharmacopeia (2023), General Chapter, 〈1053〉 Capillary Electrophoresis.
(3) United States Pharmacopeia (2023). General Chapter, 〈129〉 Analytical Procedures for Recombinant Therapeutic Monoclonal Antibodies.
(4) X. Lu, Y. Chen, J. Chromatogr. A 2002, 955, 133–140.
(5) Sole, Marina: “Capillary Isoelectric Focusing (cIEF)- As a Platform Method for the Evaluation of Monoclonal Antibody Charge Variants”, Sartorius, https://www.sartorius.com/download/692314/cief-application-note-en-b-sartorius-pdf-data.pdf
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