| Dr. Mirjam Geditz
ICH Q3C (R8): Leitlinie für Restlösungsmittel in Arzneimitteln
Die Leitlinie ICH Q3C beschreibt erlaubte Grenzwerte an Lösungsmittelrückständen in Wirkstoffen, Hilfsstoffen oder Arzneimitteln im Hinblick auf die Patientensicherheit. Restlösungsmittel werden hier als flüchtige organische Chemikalien definiert, welche im Rahmen der Herstellung von Wirk- und Hilfsstoffen oder bei der Zubereitung von Arzneimitteln zum Einsatz kommen bzw. während des Herstellungsprozesses entstehen und im Endprodukt in Spuren zurückbleiben.
Die Wahl des Lösungsmittels kann neben der Ausbeute auch Eigenschaften, wie z.B. die Reinheit und die Kristallform des Endproduktes beeinflussen, weshalb das Lösungsmittel einen kritischen Einfluss auf die Qualität des Produktes haben kann.
Lösungsmittelrückstände haben keinerlei therapeutischen Nutzen, weshalb sie soweit wie möglich entfernt werden sollten. Basierend auf ihrer toxikologischen Bewertung werden die Lösungsmittel in drei Klassen eingeteilt. Lösungsmittel der Klasse I sind hochtoxisch und sollten für die Herstellung von Wirk- und Hilfsstoffen sowie Arzneimitteln vermieden werden. Ist ein Einsatz der Klasse I Lösungsmittel im Rahmen der Herstellung unverzichtbar, so müssen die beschriebenen Grenzwerte eingehalten werden. Andernfalls muss deren Einsatz im Rahmen einer Risiko-Nutzen-Bewertung nachdrücklich begründet werden.
Die Klasse II der Lösungsmittel umfasst Chemikalien mit einer weniger schweren Toxizität, welche im begrenzten Umfang verwendet werden sollten, um die Patienten vor möglichen Nebenwirkungen zu schützen.
Im Idealfall sollten Lösungsmittel der Klasse III verwendet werden, deren toxisches Potential als gering eingestuft wird.
Geltungsbereich der Leitlinie
Wirk- und Hilfsstoffe sowie Arzneimittel müssen auf Lösungsmittelrückstände geprüft werden, sofern Lösungsmittel im Rahmen der Herstellung zum Einsatz kommen oder während des Prozesses entstehen können. Obgleich Hersteller sich für die Prüfung der finalen Produkte entscheiden, kann anhand eines kumulativen Verfahrens der Restgehalt an Lösungsmitteln ausgehend von den Werten der Ausgangsstoffe berechnet werden. Ist der berechnete Wert gleich oder kleiner des empfohlenen Grenzwerts, muss das Endprodukt nicht auf Restlösungsmittel geprüft werden. Liegt der berechnete Wert darüber, muss geprüft werden, um festzustellen, ob der relevante Lösungsmittelgehalt im Rahmen des Herstellungsprozesses auf einen akzeptablen Wert reduziert werden konnte.
Die Richtlinie gilt für alle Darreichungsformen und Verabreichungswege. Höhere Gehälter an Lösungsmitteln können in bestimmten Fällen akzeptiert werden, sofern es sich z.B. um eine kurzfristige (≤ 30 Tage) oder topische Anwendung handelt. Diese Werte müssen im Einzelfall bewertet werden.
Analytische Methoden
Üblicherweise werden Restlösungsmittel mit Hilfe der Headspace-Gaschromatographie (HS‑GC) und Flammenionisations-Detektion (FID) bestimmt. Hierbei stehen harmonisierte Verfahren aus den jeweiligen Arzneibüchern zur Verfügung (s. Ph. Eur. 2.4.24 und USP <467>). Andererseits ist es den Herstellern freigestellt andere validierte Verfahren anzuwenden. Sind nur Lösungsmittel der Klasse III zu bestimmen, kann statt des aufwendigen chromatografischen Verfahrens auch eine weniger spezifische Methode, z.B. die Ermittlung des Trocknungsverlustes, gewählt werden.
Änderung der 8. Revision der ICH Q3C
Die 8. Revision der Guideline trat zum 20. November 2021 in Kraft und umfasst die Ergänzung der Werte für die zulässigen Tageshöchstmengen (englisch: Permitted Daily Exposure, kurz PDE) von 2-Methyltetrahydrofuran (2-MTHF, 50 mg/Tag, ≤ 5000 ppm), Cyclopentylmethylether (CPME, (15 mg/Tag, ≤ 1500 ppm) und tert-Butylalkohol (TBA, 35 mg/Tag, ≤ 3500 ppm). CPME und TBA werden als Klasse 2 Restlösungsmittel klassifiziert. 2‑MTHF ist ein Klasse 3 Restlösungsmittel, für dessen Anwendung nun keine herstellerspezifische Begründung mehr benötigt wird.
2-MTHF wird zunehmend als Lösungsmittel in metallorganischen oder zweiphasigen Reaktionen anstelle von Tetrahydrofuran (THF, PDETHF= 7,2 mg/Tag) verwendet. CPME wird in der pharmazeutisch-chemischen Entwicklung alternativ zu seinen gebräuchlicheren Analoga, wie THF und tert-Butylmethylether (t-BME, PDEt-BME = 50 mg/Tag), verwendet. TBA wird u. a. als Mittel zur Alkoholvergällung, als Trocknungsmittel und als Lösungsmittel eingesetzt.
Die Anpassungen wurden in dem Nachtrag 10.7. des Europäischen Arzneibuchs aufgenommen (s. Kapitel 5.4. Residual Solvents).
Umsetzung der Guideline
Für die meisten gelisteten Restlösungsmittel können die beschriebenen Arzneibuchmethoden mittels HS-GS herangezogen werden. Sofern es sich um Klasse I und II Restlösungsmittel handelt, ist vor der ersten Anwendung lediglich eine kurze Verifizierung erforderlich. Hierin wird die Eignung der Methode für die jeweilige Substanz bzw. das entsprechende Restlösungsmittel überprüft und gleichzeitig die Durchführbarkeit in dem Prüflabor gezeigt. Anpassungen entsprechend der Kapitel Ph.Eur. 2.2.46 und USP <621> zur Chromatographie bzw. des Verifizierungskapitels USP <1467> sind erlaubt und bedürfen keiner weiteren Validierung der Methode. Im Falle von Restlösungsmitteln der Klasse III muss eine produktspezifische Validierung der Methode erfolgen. Da es sich aber zumeist um Limittests handelt, ist der Umfang der Validierung verhältnismäßig gering.
Gerne unterstützen wir Sie bei Fragestellungen rund um das Thema Restlösungsmittel in pharmazeutischen Substanzen und Produkten.
Quellen: ICH Q3C (R8)
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