| Autoren: Dr. Philipp Wissel, Alexander Schaudt
Partikelgrößenverteilung in der Entwicklung von Arzneimitteln

Die Partikelgrößenverteilung in der Arzneimittelentwicklung
In der pharmazeutischen Entwicklung ist die Messung von Partikelgrößenverteilungen als Analyseverfahren in der Charakterisierung von Ausgangsstoffen und Fertigprodukten nicht mehr wegzudenken. Die Größe von Wirkstoffpartikeln kann die Wirksamkeit, Sicherheit und Stabilität von Arzneimitteln entscheidend beeinflussen. Liegt ein Wirkstoff beispielsweise in dispergierter Form als Teil einer Kristallsuspension vor, kann die Größe der dispergierten Partikel einen entscheidenden Einfluss auf die physikalische Stabilität der Suspension haben. Darüber hinaus auch auf die Wirkstofffreigabe in vitro und in vivo. Es lassen sich somit im Umkehrschluss über die Kenntnis und die Modulation der Partikelgrößenverteilung (engl. Particle Size Distribution, PSD) das Freisetzungsverhalten und die Bioverfügbarkeit von dispergierten Arzneiformen beeinflussen. Es können in diesem Zusammenhang nicht nur ungelöste Feststoffpartikel gemessen werden, sondern im Fall von Emulsionen auch emulgierte Tropfen. Die Größenverteilung emulgierter Tropfen ist für Emulsionen eine ebenso wichtige Kenngröße, wie es die PSD von dispergierten Partikeln für Suspensionen ist. In der Herstellung fester Darreichungsformen kann die Partikelgröße eines Hilfsstoffes einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten innerhalb einer Pulvermischung und folglich die Eigenschaften der resultierenden Darreichungsform (z. B. die Tablette) haben. Somit kann die Partikelgrößenverteilung eine wichtige Stellschraube im Rahmen der Fertigproduktentwicklung und -herstellung sein. Valide PSD-Daten können entsprechend dabei helfen, Produkte unterschiedlichster Darreichungsformen zu entwickeln und herzustellen.
Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Bestimmung der Größenverteilung von flüssigen Partikeln (Tropfen). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Tropfengrößenverteilung (engl. Droplet Size Distribution, DSD). Diese Art der Größenverteilungsmessung findet vor allem im Rahmen der Charakterisierung von Arzneimitteln Anwendung, die über Sprühapplikatoren abgegeben werden (z. B. Nasensprays). Gemäß regulatorischen Vorgaben (z. B. der EMA-Guideline on the Pharmaceutical Quality of Inhalation and Nasal Products) ist die Tropfengrößenverteilung von Nasensprayprodukten sowohl im Rahmen der Freigabe- als auch der Stabilitätsprüfung zu bestimmen.
Welche Verfahren zur Messung von Partikelgrößenverteilungen für unterschiedliche Darreichungsformen zum Einsatz kommen und wo deren Stärken und Limitationen liegen, soll im Folgenden erörtert werden.
Verfahren zur Partikelgrößenbestimmung
Analytische Verfahren zur Bestimmung der Partikelgrößenverteilung reichen von einfachen Verfahren (z. B. Lichtmikroskopie, Sieb-Analyse) bis hin zu hochtechnischen Verfahren mit statistischer Auswertung (z. B. Laserbeugung, dynamische Lichtstreuung) großer Teilchenpopulationen. Häufig werden mehrere analytische Verfahren kombiniert. Mikroskopische Verfahren – sowohl die klassische Lichtmikroskopie als auch höher auflösende elektronenmikroskopische Verfahren – können neben der Größe der Partikel weitere wichtige Informationen zu Form und Morphologie liefern. Moderne hochauflösende elektronenmikroskopische Verfahren erreichen Auflösungen kleiner 1 nm und ermöglichen es, selbst kleinste dispergierte Teilchen zu charakterisieren. Die Kombination mehrerer analytischer Verfahren kann entscheidende Vorteile für die pharmazeutische Entwicklung bieten – wie anhand eines Praxisbeispiels im Folgeabschnitt gezeigt werden soll.
Die Laserbeugung
Die Laserbeugung (engl. Laser Diffraction, LD) ist ein Verfahren zur Messung von Partikelgrößenverteilungen basierend auf der Ablenkung von Lichtwellen eines Laserstrahls beim Auftreffen auf Partikel (z. B. dispergierte Wirkstoffpartikel einer Suspension). Diese Ablenkung erzeugt unterschiedliche Beugungsmuster in Abhängigkeit der Größe der angestrahlten Partikel. Die detektierten Beugungsmuster lassen wiederum eine Berechnung der Partikelgröße bzw. Verteilungen der Partikelgrößen der gemessenen Probe zu. Laserbeugungsverfahren greifen dabei auf Modelle zur Berechnung der Partikelgrößenverteilungen zu. Die Mie-Theorie kommt hier besonders zum Tragen. Diese nimmt zur Berechnung der Partikelgrößenverteilung eine kugelähnliche (sphärische) Form der Partikel an. Bei der Ergebnisbewertung solcher Messdaten ist dies zu berücksichtigen. Weicht die Partikelform von diesen Annahmen ab, kann das die Qualität der generierten Ergebnisse beeinträchtigen. Die Berechnung bezieht auch stoffspezifische Eigenschaften der Probe, wie zum Beispiel den Brechungsindex, ein. Beim Vergleich von Partikelgrößenverteilungen sind deshalb stets Mess- und Auswerteparameter sowie das eingesetzte Messinstrument einzubeziehen. Unterschiedliche Auswerteverfahren und/oder Eingabeunterschiede der optischen Probeneigenschaften können sonst zu fehlerhaften Ergebnissen führen. Heutzutage gehört die Laserbeugung zu einem der gängigsten Analyseverfahren von Partikelgrößenverteilungen. Apparative Systeme bieten eine einfache Durchführbarkeit und schnelle, sowie reproduzierbare Messergebnisse. In der pharmazeutischen Entwicklung ist die Laserbeugung sowohl in der Entwicklung als auch in der Routineherstellung als In-Prozess-Kontrolle und Freigabemessparameter nicht mehr wegzudenken.
Neben der Messung dispergierter Partikel ist es mittels Laserbeugung auch möglich, Trockenpulver und Aerosole direkt zu messen. Dies ermöglicht zum einen die direkte Charakterisierung von Feststoffen z. B. im Rahmen der Ausgangsprüfung von Wirk- und Hilfsstoffen und öffnet zugleich ein weiteres Feld der Charakterisierung inhalativer und intranasaler Darreichungsformen. Die direkte Feststoffcharakterisierung von Pulvern spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung fester oraler Darreichungsformen. Sie ermöglicht es, die Fließeigenschaften von Pulvern zu verstehen und Vorhersagen über die Verdichtung von Feststoffen (z. B. in der Direkttablettierung) zu treffen. Im Rahmen der Entwicklung intranasaler Darreichungsformen ist die Tropfengrößenverteilung (DSD) – also die Größenverteilung der Tropfen, welche den Sprühnebel nach Aktuation des Nasensprays bilden – eine wichtige Kenngröße. Die DSD lässt Rückschlüsse auf weitere Eigenschaften einer flüssigen Darreichungsform, wie beispielsweise die Viskosität zu, und hat somit einen hohen Stellenwert in der Qualitätskontrolle intranasaler Flüssigprodukte.
Die Dynamische Lichtstreuung
Dynamische Lichtstreuung (engl. Dynamic Light Scattering, DLS), häufig auch Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS) oder quasielastische Lichtstreuung (QELS) genannt, ist ein weiteres Verfahren der Partikelanalyse. Das Verfahren der DLS beruht auf dem Prinzip der Streuung von Licht beim Auftreffen auf Partikel. Wird eine zeitaufgelöste Messung der Streuintensität durchgeführt, fluktuiert diese aufgrund der Molekularbewegung (Brownsche Molekularbewegung) der gemessenen Teilchen. Die Fluktuation der Streuintensität ist abhängig von der Partikelgröße: Für kleine Partikel ist sie höher als für große Partikel. Über die zeitaufgelöste Auswertung lässt sich die Teilchengeschwindigkeit und daraus wiederum der Diffusionskoeffizient bestimmen. Kennt man die Temperatur und Viskosität der Probe, lässt sich über die Stokes-Einstein-Beziehung der hydrodynamische Radius der gemessenen Partikel errechnen. Das primäre Ergebnis einer solchen DLS-Messung ist die sog. Intensity Distribution – also die Größenverteilung nach Streuintensität – der gemessenen Größenpopulationen. Diese kann für bestimmte Anwendungsfälle wiederum in eine Verteilung nach Volumen oder Anzahl umgerechnet werden.
Die Intensität des von der Probe gestreuten Lichts hängt auch vom Winkel zwischen eintreffendem Lichtstrahl und Detektor (dem sog. Streuwinkel) ab. Häufig werden DLS-Messungen nur bei einem Streuwinkel durchgeführt. Bei der Analyse und dem Vergleich von DLS-Daten ist die Angabe des Streuwinkels, bei welchem gemessen wurde, deshalb eine wichtige Information. Eine Innovation in der DLS ist die Messung bei mehreren Streuwinkeln. Durch die Messung bei verschiedenen Streuwinkeln und die kombinierte Auswertung der resultierenden Daten kann eine höhere Auflösung der gemessenen Proben erreicht werden.
Das Zeta-Potential ist eine weitere wichtige Kenngröße, die im Rahmen der Charakterisierung disperser Arzneiformen zu nennen ist. Es ist ein Maß für die elektrostatische Anziehung bzw. Abstoßung dispergierter Partikel. Für Suspensionen und Emulsionen können damit Abschätzungen über die elektrostatische Abstoßung und folglich fundierte Vermutungen über die physikalische Stabilität des Fertigprodukts getroffen werden. Das Zeta-Potential ist dabei keine Eigenschaft des dispergierten Partikels selbst, sondern ein Resultat des Gesamtsystems aus dispergierten Partikeln und Dispersionsmedium. Änderungen im Dispersionsmedium, z. B. die Wahl oder Konzentration eines Puffers, können folglich einen großen Einfluss auf das Zeta-Potential haben. Die Messung des Zeta-Potentials erfolgt über elektrophoretische Lichtstreuung (engl. Electrophoretic Light Scattering, ELS). Es wird eine indirekte Messung über die Bewegung der Partikel in Abhängigkeit ihres Oberflächenpotentials durch Anlegen eines elektrischen Felds und anschließende Umrechnung in das Zeta-Potential durchgeführt. In der Praxis wird die zu messende Probe in eine Küvette mit zwei Elektroden gegeben. Nach Anlegen einer Spannung bewegen sich die dispergierten Teilchen mit einer Geschwindigkeit, die proportional zu ihrer Oberflächenladung ist, zum entsprechend entgegengesetzten Pol. Über die Partikelmobilität errechnet sich entsprechend das Zeta-Potential.
Im pharmazeutischen Umfeld gelten die Laserbeugung und dynamische Lichtstreuung als Industriestandard für die oben beschriebenen Anwendungsfälle. Die vergleichsweise einfache Probenaufarbeitung und Durchführung von Messungen machen die beiden Verfahren unerlässlich sowohl im Rahmen der Entwicklung als auch in der Routineanalytik.
Partikelcharakterisierung in der Arzneimittelentwicklung
In der Entwicklung von Fertigarzneimitteln spielt die Partikelcharakterisierung eine wichtige Rolle. Ein zentrales Element ist dabei die Messung der Partikelgrößenverteilung von Wirk- und Hilfsstoffen. Je nach Darreichungsform und Anwendungsfall kann das Ziel der Messung ein anderes sein. Im Folgenden sollen einige Anwendungsfälle für unterschiedliche Darreichungsformen erläutert werden.
In der Entwicklung und Herstellung von Emulsionen (und Suspensionen) dient die Bestimmung der Emulsionstropfen-Größenverteilung (bzw. der Bestimmung der Größenverteilung dispergierter Partikel) als In-Prozess-Kontrolle und Freigabe- sowie Stabilitätsparameter. Ein Zielgrößenbereich wird im Quality Target Product Profile (QTPP) eines zu entwickelnden Produkts, sowie in der Freigabe- und Laufzeitspezifikation definiert. Kommt ein Verfahren zur Partikelreduktion (z. B. Nassvermahlung oder Hochdruckhomogenisation) zum Einsatz, kann die Güte des Herstellungsprozesses durch Beproben und Messen der Partikelgrößenverteilung überwacht werden. Es werden in der Regel der D10, D50 und D90, also die 10, 50 und 90 % der gemessenen Teilchen einer Probe die kleiner oder gleich des angegebenen Wertes sind, spezifiziert. Neben der Größenverteilung selbst ist auch deren Breite der Verteilung von entscheidender Bedeutung. Diese wird als Span bezeichnet und berechnet sich aus den Werten für D10, D50 und D90 wie folgt: Span = (D90-D10)/D50. In der Praxis wird meist eine geringe Streubreite und eine unimodale Verteilung der Partikelgröße bevorzugt. In bestimmten Fällen kann dennoch eine multimodale und/oder breite Verteilungen Ziel der Entwicklung sein. Diese sind aber technologisch komplex und schwer zu erzeugen und zu stabilisieren. Wie bereits oben beschrieben, ist es häufig sinnvoll komplementäre Messverfahren zur Partikelcharakterisierung einzusetzen. Dies soll nachfolgend anhand eines Praxisbeispiels verdeutlicht werden. Abbildung 1 zeigt elektronenmikroskopische Aufnahmen eines Wirkstoffs zweier unterschiedlicher Hersteller.

Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Arzneistoffs zweier unterschiedlicher Hersteller.
Im Rahmen der Fertigproduktentwicklung einer Suspension wurden beide Wirkstoffqualitäten verglichen und aufgrund vergleichbarer PSD-Daten (gemessen mittels Laserbeugung) als vergleichbar für die Herstellung besagter Suspension angesehen. Formulierungsversuche wiesen ein sehr unterschiedliches Verhalten der beiden Wirkstoffquellen in Bezug auf Benetzbarkeit und Stabilisierung in Dispersion auf. Durch weitere Charakterisierung mittels Elektronenmikroskopie konnten deutliche Unterschiede in der Morphologie und Form der Partikel nachgewiesen werden. Durch die gezeigten Unterschiede konnte folglich auch das unterschiedliche Verhalten der beiden Wirkstoffquellen erklärt werden. Dies führte dazu, dass zwei unterschiedliche analytische Verfahren sinnvoll kombiniert wurden, um die Problemstellung zu lösen, welche allein durch Laserbeugungsmessungen nicht gelöst werden konnten.
Partikelcharakterisierung bei HWI
HWI bietet im Rahmen der Wirkstoffcharakterisierung und Fertigproduktentwicklung Größenverteilungsmessungen von Partikeln und Tröpfchen mittels verschiedener apparativer Verfahren an. Zu den wichtigsten zählen dabei die Laserbeugung, Dynamische und Elektrophoretische Lichtstreuung und Licht- sowie Elektronenmikroskopie. Neben Partikelgrößenverteilungen von Pulvern, Dispersionen und Emulsionen werden Messungen von Tropfengrößenverteilungen für Nasen- und Rachen- und andere Sprays durchgeführt. Das Expertenteam verfügt über langjährige Erfahrung in der Methodenentwicklung und -validierung und kann im Rahmen seiner Arbeit auf folgendes Equipment zugreifen:
- Malvern Mastersizer 2000 und 3000 zur Messung von Trockenpulvern, Dispersionen und Emulsionen mittels Laserbeugung und Dispersionen in wässriger oder organischer Umgebung.
- Malvern Zetasizer Advance Pro zur Partikelgrößenbestimmung und Messung des Zeta-Potentials mittels dynamischer Lichtstreuung.
- HELOS BR Sprayer Rotor zur Messung der Tropfengrößenverteilung von Sprühprodukten mittels Laserbeugung.
- COXEM EM-30 Elektronenmikroskop mit energiedispersivem Röntgendetektor (EDX).
Weitere Informationen finden Sie im Menü Drug Development oder Laboratory Services. Gerne können Sie auch unsere Filme dazu in der Mediathek anschauen!